Wankel, Wunder und Audi
Erfinder des Wankelmotors und Entwickler des futuristischen Ro 80. Die 1873 in Neckarsulm gegründete Firma NSU schrieb Technikgeschichte, bis sie mit Audi fusionierte.
Quelle: sp/x | Autor: Wolfram Nickel
Für MCB aufbereitet von Helmut Faforke | Bild: AUDI AG
Anfang der 1960er Jahre schien es so, als sei in Neckarsulm, genauer gesagt beim Kleinwagen-und Zweiradspezialisten NSU, der Antrieb für Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge neu erfunden worden. „Wankel-Wunder" und "Jahrhundert-Motor" jubelten die Medien. Fahrzeughersteller aus fast allen Kontinenten kamen, um eine Lizenz des revolutionären Kreiskolbenmotors zu erwerben. Jener Erfindung des Ingenieurs Felix Wankel, die NSU im flotten Sportwagen Wankel Spider und im futuristisch designten Ro 8o in Serie gehen ließ. Die Wankelauto-Entwicklung war allerdings so kostspielig, dass NSU schon 1969 mit Audi fusionierte und unter das Dach des VW-Konzerns schlüpfte.
Heute ist NSU Geschichte, aber die Gene dieses von Ingenieursgeist getriebenen Unternehmens leben fort. Und auch die Sportwagen Audi TT und TTS zitieren in ihrer Namensgebung unvergessene Racer von NSU: Die kleinen Kraftzwerge Prinz TT und TTS, die auf Rennkursen als Porsche- und BMW-Jäger Kultstatus erlangten und natürlich die erfolgreichen NSU-Rennmax-Motorräder, die in den 195oern bei der Tourist Trophy (TT) auf der Isle of Man unter Piloten wie Werner Hass für gleich mehrere Weltmeistertitel sorgten.
Erster Imageträger wurde 1959 der Sport-Prinz, ein elegantes Coup 6 im Design des italienischen Edelcouturiers Bertone. NSU und Italien, das war damals Amore auf den ersten Blick. Aus dem NSU Sport Prinz entstand der Spider mit dem weltweit ersten Serien-Kreiskolbenmotor. Dieses immerhin 37 kW/5o PS freisetzende Ein-Scheiben-Wankelaggregat sicherte dem Rotarier bei Rennen reichlich sportlichen Lorbeer, allerdings verhinderten ambitionierte Preise und mangelnde Zuverlässigkeit hohe Zulassungszahlen.
Der Kreiskolbenmotor bot gegenüber dem konventionellen Hubkolbenmotor beträchtliche Vorteile. Bei gleicher Leistungsstärke lässt sich der Rotarier wirtschaftlicher produzieren, ist kompakter und wiegt etwa ein Drittel weniger, ersetzen doch rotierende Scheiben das Auf und Ab der Kolben. Kein Wunder, dass fast alle namhaften Fahrzeughersteller wie Alfa Romeo, Daimler-Benz, GM, Mazda, Nissan, Porsche oder Rolls-Royce zu den NSU-Lizenznehmern zählten. Aus den Einnahmen wollte NSU die Wankel-Entwicklungskosten bezahlen, was jedoch nicht gelang. Treuester Lizenz-Geldgeber war übrigens Mazda, und die Japaner halten als einzige Marke bis heute am Wankel fest. Der Wankel Spider war der Entwicklungsschritt auf dem Weg zum Zwei-Scheiben-Großserienmodell, der 1967 eingeführten, avantgardistischen, Flaggschiff-Limousine NSU Ro 80. Hatte die NSU-Marktforschung doch 1967 ergeben, dass die Deutschen in der Mittelklasse konservativ dachten und dem Rotarier noch nicht trauten. So plagten den NSU-Kreisläufer anfangs anfällige Dichtleisten und weitere Kleinigkeiten, die den Ruf nachhaltig ruinierten - und den Hersteller viel Geld kosteten.
Schon seit 1967 suchten die Neckarsulmer Kontakte zu VW, die 1969 zur Gründung der Audi NSU Auto Union AG unter dem Dach des Volkswagen-konzerns führten. Vier Jahre später kam das Aus für den Prinz und mit dem Ende des Ro 8o verschwand 1977 das Neckarsulmer Logo von Motorhauben.